Die europäische Staatschuldenkrise habe ein Ausmaß erreicht, das es einer Gruppe von Euroländern schwer machen könnte, überhaupt noch Lösungen aus ihrem Dilemma zu finden, wie Christine Lagarde, Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds mitteilte. Es sei an der Zeit sich zur Wahrheit zu bekennen und der Realität ins Auge zu blicken – traurig, dass Frau Lagarde auf diesen Trichter erst nach rund vier langen Jahren Finanzkrise kommt.
Darf eine IWF-Chefin der Wahrheit eher ins Gesicht blicken als eine Finanzministerin Frankreichs?
Laut Lagarde werde sich die Welt in einer ähnlichen Situation wie in den 1930iger Jahren befinden, wenn die Länder jetzt nicht zusammenarbeiteten. Die Zeit der Großen Depression führte letztendlich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Es gebe laut Lagarde momentan keine einzige Wirtschaft in der Welt – ob nun Länder mit niedrigen Einkommen, Schwellenmärkte, Länder mit mittlerem Einkommen oder Industriestaaten –, die gegen die aktuelle Krise immun seien. Diese Krise könnte – im Gegenteil – derart eskalieren, so dass sich jedermann fragen sollte, was getan werden könne, um dies zu verhindern, so Lagarde. Wenn die international Gemeinschaft nicht dazu bereit sei zusammen zu arbeiten, könne man dies von einem objektiven wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet nicht mehr anders als ein Risiko für einen wachsenden Protektionismus und einer sich verstetigenden Isolation nennen. Dies sei allerdings exakt die Beschreibung der Ereignisse, die in den 1930iger Jahren zu beobachten waren, so dass eine derartige Entwicklungen nichts seien, worauf sich die Weltgemeinschaft freuen könne. Laut Lagarde ist der weltökonomische Ausblick recht düster, gespickt mit enormen Abwärtsrisiken und Abwärtskorrekturen, einem sich deutlich abschwächenden Wachstum als vormals erwartet, höheren Staatsdefiziten als prognostiziert und öffentlichen Finanzen in bedrohlichem Zustand. Und diese Prognose treffe mehr oder weniger für die ganze Welt zu. Eine Ausnahme bildeten die Schwellenmärkte und asiatischen Wirtschaften, die während der Wirtschaftskrise der 1990iger Jahre am Schlimmsten getroffen wurden. Diese Staaten werden auch mithelfen müssen, um die aktuelle Krise zu meistern, wenn die Welt die bedrohlichen Risiken überstehen soll, so Lagarde.

Momentan müsse man den Kern der Krise betrachten, der ganz offensichtlich in den europäischen Ländern zu finden sei. In erster Linie seien die 17 Länder der Eurozone betroffen, die sich in einer Währungsgemeinschaft befinden, so Lagarde weiter. Lagarde beschrieb die Eurozone als ein Länderkonstrukt, das den Euro gemeinsam zu Zahlungszwecken nutzt. Diese Währungsunion sei allerdings noch nicht durch eine Wirtschafts- und Finanzunion komplettiert worden, die sich zurzeit in Arbeit befinde.
Während Europas Politik daran arbeite, um diese monumentalen Probleme zu lösen, sei die wachsende Ungeduld an den Finanzmärkten ein immer größeres Problem. Aus Marktperspektive wäre es natürlich toll, wenn die geforderte Integration Europas sofort vonstatten gehen würde, die durch einen unterzeichneten, allseits besiegelten und öffentlich gemachten Unionsvertrag ihren Abschluss finden würde , so Lagarde. Leider wüssten echte Demokraten allerdings, dass die Dinge auf diese Weise nicht funktionierten, da solche Prozesse vor allem Zeit benötigten. Laut Lagarde werde eine forcierte internationale Unterstützung für finanziell angeschlagene Staaten wahrscheinlich über den IWF kanalisiert werden. Dadurch solle eine kollektive Finanzverantwortung und finanzielle Solidarität organisiert werden, die so ziemlich in der ganzen Welt erwartet würden. Lagarde führte weiter aus, dass es eine Frage des Mutes sei, sich Problemen zu stellen und nicht den Fehler zu begehen, sie einfach zu verleugnen. Die Wahrheit und Realität müsse jedermann akzeptieren, um letztendlich mit ihr umzugehen, so Lagarde. Es stellt sich in diesem Kontext sicherlich die Frage, hinter welchem Türchen Frau Lagarde diesen Mut zur Wahrheit versteckte, als sie noch als Frankreichs Finanzministerin agierte. Anscheinend darf in der Politik niemand mehr die Wahrheit sagen oder sich zu ihr bekennen, obwohl sich doch immer deutlicher abzeichnet, dass Märkte und Investoren vor allem deshalb durchdrehen, weil sie keinerlei Vertrauen in die Politik mehr haben. Darüber sollte Frau Lagarde einmal nachdenken…